Mein Jerusalem: Einzigartig und voller Überraschungen
Facts
Name: Hakan Can
Beruf: Stv. Abteilungsleiter, Abteilung IV/12 Förderung österr.-jüd. Kulturerbe und Antisemitismusbekämpfpung im Bundeskanzleramt
Einsatzort: Jerusalem
Einsatzstelle: Österreichisches Pilger-Hospiz
Einsatzzeitraum: 2010 - 2011
Dass der damals 24-jährige Hakan ausgerechnet im Pilgerhospiz in Jerusalem seinen Auslandszivildienst absolviert hat, war kein Zufall.
Der Student der Politikwissenschaft, der damals kurz vor dem Bachelorabschluss stand, hatte sich schon während seines Studiums sehr für fremde Kulturen interessiert, insbesondere für den Nahen Osten. Auch Holocaust und Holocaust-Bildung waren für ihn ein Thema. Was lag also näher, als in Jerusalem einen Auslandsdienst zu absolvieren? Dieses Interesse hat Hakan Can mittlerweile zu seinem Beruf gemacht: Im Bundeskanzleramt ist er u.a. für die Förderung des österreichisch-jüdischen Kulturerbes zuständig und kann auf seine Erfahrungen und Einblicke, die er in der Zeit seines Einsatzes gewonnen hat, zählen.
Hakan erlebte Jerusalem als Ort, der den Menschen gedanklich an sich bindet – auch wenn man physisch schon gar nicht mehr dort ist. Das Aufeinandertreffen der abrahamitischen Religionen, die historischen Verwurzelungen und der gegenwärtige Konflikt auf so engem Raum sind einzigartig und bringen Konfliktpotenzial mit sich. Andererseits ist es auch ein Ort, an dem ganz unterschiedliche Kulturen und Sprachen koexistieren. Jerusalem lässt einen nicht kalt – unabhängig davon, wie religiös man ist.
Für 365 Tage wurde das Pilgerhospiz, mitten in der Altstadt gelegen, zu Hakans Zuhause und ein Kapitel seines Lebens, das er nicht missen möchte. Die Aufgaben selbst waren vielfältig – an Rezeption, im Caféhaus oder in der Küche traf er mit Menschen und Charakteren zusammen – lokalen Angestellten oder anderen Volontär*innen, die er hier in Österreich vielleicht gar nie kennengelernt hätte.
Jerusalem schuf für ihn einen Raum, der unbekannt und voller Überraschungen war. Begegnungen mit Juden Christen und Muslimen hinterließen Eindrücke, veranlassten ihn dazu, persönliche Vorurteile zu hinterfragen und auch abzubauen. Es entstanden Freundschaften, die bis heute andauern. Die zahlreichen heiligen Stätten in Jerusalem, der Mix aus Alltag, Touristenkolonnen und Menschen- massen, die ihren religiösen Pflichten nachkommen wollen, machen die Straßen und Gassen der Jerusalemer Altstadt zu einem unbeschreiblichen Ort. In dieses Bild mischt sich die Erinnerung an die Klänge hebräischer und arabischer Lieder.
In seiner Zeit in Jerusalem hat Hakan nicht nur Einblicke in Sprache und Kultur gewonnen, sondern auch seine Liebe zum Hummus entdeckt, der seither aus seinem persönlichen Speisezettel nicht mehr wegzudenken ist. Diese Zeit hat ihn auch gelehrt, dass wir uns in Österreich glücklich schätzen können, dass Friede, konfliktfreier Alltag und offene Grenzen zu nahegelegenen Ortschaffen für uns selbstverständlich sind, denn in Jerusalem sind Grenzen sichtbar, im alltäglichen Leben, aber auch ökonomisch und politisch.
Sein Aufenthalt in Jerusalem hat ihn vor allem gelehrt, dass dieser Konflikt viel komplizierter ist als er in den Medien dargestellt wird.