Valentin - San Ignacio/Bolivien

Valentin, der Brückenbauer zwischen den Welten
Als „Homo sapiens medicus austriacus“ in der Klinik unter Palmen 
 

Facts
Name: Dr. Valentin Mayer
Beruf: Notfallmediziner in einem Krankenhaus in Sevilla/Spanien
Einsatzort: San Ignacio/Bolivien
Einsatzstelle:   Krankenhaus Sta Isabela
Einsatzzeitraum: 2003 - 2004

Wenn aus einem „Nos vemos Valentin“ ein melodiöses und fröhliches „nobemobaledi“ wird, untermalt von diversen Geräuschen, man aber trotzdem das Gefühl hat, dass die ganze Königin der Nacht in diesen Gruß verpackt ist, wenn die morgendliche Brause das Potenzial einer Körper und Geist anregenden 220 V Elektromassage hat und Geheimmittel wie Papayastreifen zur Wundversorgung zum Einsatz kommen, dann befinden wir uns mitten im Alltag von Dr. Valentin Mayer in Bolivien. 
Allerdings in einem Alltag, der schon einige Zeit zurückliegt und in einem Tuberkulosespital der Salzburger Schwestern in der Chiquitanía, also im Amazonischen Bolivien, stattfand, wo der abenteuerlustige Freigeist mit „frischgebackenem“ Medizinerdiplom für 14 Monate seinen Dienst leistete. Glücklich aufgewachsen am Rande Wiens zog es ihn immer schon gerne ins Ausland … 
... erst über Orchesterfahrten – in der Familie wurde Musik sehr gepflegt – bis nach Kairo, aber auch im Rahmen von Spitalspraktika nach Berlin, Sydney und in die Bretagne.

So war es auch kein Wunder, dass Valentin die Fühler nach passenden Auslandszivildienststellen ausstreckte und schließlich auf das Hospital Santa Isabel in Bolivien stieß. Auf sein Glück und auf die freundliche Stimme von Schwester Angela vertrauend, die das Krankenhaus aufgebaut hatte und mit der er zweimal telefonierte hatte – wagte er den Sprung ins Ungewisse und hat es nie bereut.

Das tropische Klima und der gerade beginnende Carnaval wischten seine Bedenken „Worauf habe ich mich da wieder eingelassen“ schnell vom Tisch. So fütterte er anfangs bei tropischer Schlagermusik – Cumba, Salsa, Samba etc. unterernährte Kinder, arbeitete dann einige Zeit als Krankenpfleger mit und schließlich als Jungarzt. „Ballentin“ gewöhnte sich schnell an den Lebensstil in San Ignacio.
Als eines schönen Tages ein Spaziergang in die Begegnung mit dem Cello „Bruno“ mündete und er sich kurzerhand als Cellolehrer engagiert fand, konnte er auch seine Liebe zur Musik wieder ausleben, gab also nachmittags Kindern Cellostunden und probte mit den Geigen die Musik des Jesuitenbarock (klingt wie Vivaldi, nur auf Spanisch), die dann auch zu zahlreichen Anlässen aufgeführt wurde. Dort begann auch seine Liebe zur lateinamerikanischen Musik, die ihn bis heute begeistert.

In San Ignacio, wo er in meist fröhlichen Unbesorgtheit lebte, lernte „Ballentin“ dann auch seine spätere Frau, María José, kennen. Schon nach einer Woche, mitten im Carnaval, begannen sie allmorgendlich um den See Guapomó zu joggen, bevor Maria José ins Büro und Valentin ins Spital ging. Bald intensivierte sich die Beziehung und schlussendlich war klar, dass sie auch nach ihrer Rückkehr nach Europa gemeinsam weiterleben wollten.
Der gemeinsame Weg führte erst nach Wien, wo Valentin seinen Turnus absolvierte und Pepa (María José) mit ihrem sonnigen Gemüt rasch einen Wien-Latino-Kosmos aufbaute, der winterliche Kälte verdrängte.
Nach dem Abschluss des Turnus war aber klar – jetzt geht es nach Spanien – und so lebt Valentin seit 2009 als glücklicher Ehemann und Vater von zwei Kindern mit seiner „Pepa“ im schönen Sevilla und ist als Notfallmediziner tätig. 

Die Andalusier amüsierten sich köstlich über ihn und sein bolivianisches Spanisch: „Der schräge Deutsche aus Wien redt ja wia a Latino“. Freunde und Verwandte kannte er ja schon von seinen Sevilla-Besuchen während der Wien-Jahre, aufregender war die Gewöhnung an die neue Arbeitssituation, lokale Sitten und das heissblütigere andalusische Temperament – Latinos hatte er als entspannter kennengelernt – más tranquilos, sprechen etwas weniger maschinengewehr-frenetisch. Bis heute ist seine Spanisch-Messlatte sein Schwager Antonio aus Archidona, einem mittelandalusischen Dorf, das Valentin, was den Dialekt betrifft, etwas spitzbübisch im hinteren Bregenzerland verortet. Jahrelang hat er ihn linguistisch herausfordert und als er schon längst mit der Schwiegermama Don Quijote rezitierte, hatte Schwager Antonio immer noch ausgefuxte Sprichwörter auf Lager.

Spanien sieht Valentin in vielerlei Hinsicht zwischen Bolivien und Österreich: Österreich als würdiges Beispiel eines industrialisierten geordneten Landes, mit hohem Einkommen und hohem Konsumverhalten, aber auch recht forderndem gesellschaftlichem Regelwerk, in dem jeder Einzelne seine Aufgaben und Pflichten erfüllen sollte – bis hin zum Rasenmähen (aber bitte nur samstagvormittags). Bolivien als armes Land, eher ungeordnet, aber mit hoher Kapazität, sich anzupassen und zu improvisieren. Das Leben spielt sich viel mehr auf der Straße ab, die Leute wohnen in kleinen Häusern – ohne viele Kästen, Vitrinen oder Regale, denn was würden sie auch hineingeben? 

Gleichwohl hat Valentin selbst erfahren dürfen, dass viele als praktisch angepriesene Geräte, die er z. B. in der Küche seiner Mutter vorfindet, in Wahrheit vollkommen entbehrlich sind: Milchschäumer, Brotbackautomat, Eierkocher, Mikrowelle … 

Andalusien als ärmere Region Spaniens mit mildem Klima ist für viele Latino-Einwanderer sehr attraktiv, weil es im Lebensstil ähnlich ist, jedoch ohne die Gewaltbereitschaft, vor der viele Amerikaner flüchten. Sehr oft wird Valentin gefragt, warum er „alles verkehrt herum“ mache. Während viele Spanier „nach Europa“ emigrieren (müssen), um zu guten Arbeitsbedingungen zu kommen und komme er aus dem „ÖsterrREICH“ ins desaströse Spanien. Die Südseite der Medaille oder „wenn man die Tortilla umdreht“, wie die Spanier sagen, ist aber, dass man mit einem soliden Job hier (in Sevilla) leichter Zugang hat zu Bier und Tapas mit Sonnenschein und wenn ganz Mitteleuropa im Sommer Lust auf Meer verspürt, macht er leidenschaftlich gerne Radtouren und Waldspaziergänge zu Hause (in Österreich, wo er gerne den Sommer verbringt).

Valentin ist ein Brückenbauer zwischen den Welten und beide sind reizvoll für ihn. So spielt er im Heimaturlaub die Krönungsmesse und Schubert, während er den Rest des Jahres in unterschiedlichen Bands und Gruppen Piazzolla, BossaNova oder Swing spielt.